Digitale Plattformen und Ökosysteme sind zu einem festen Bestandteil des täglichen Lebens geworden. Wir kaufen über Amazon ein, buchen Unterkünfte über Booking.com und lassen uns per Uber bequem ans Ziel bringen. Dennoch bleiben gewisse Sektoren von dieser Plattformisierung weitgehend unberührt. In Europa werden Bedürfnisse etwa rund um den Bereich Wohnen und Leben nach wie vor fragmentiert von verschiedenen Anbietern bedient. Strom, Internet, Versicherungen, Smart Home Anwendungen und vieles mehr – unser Alltag ist voll von organisatorischen Aufgaben, die Zeit und Nerven kosten.
Eine zentrale, digitale Plattform, die diese vielfältigen Bedürfnisse effizient bündelt, könnte den Komfort für Konsument*innen hierbei erheblich steigern. So zeigen es Plattform-Giganten in Asien, wie sheba.xyz, Grab, Gojek oder WeChat, längst vor. Als fester Bestandteil des Alltags vernetzen sie Anbieter*innen mit Nutzer*innen und decken dabei verschiedene Alltagsbedürfnissen gebündelt ab – von Transport, Essenslieferungen und Shopping über Haushaltsservices wie Reparaturen, Malerarbeiten oder Babysitting bis hin zu Smart Home Services, Entertainment und Finanzdienstleistungen. In Europa hingegen bleibt dieses Potenzial bislang weitgehend ungenutzt.
Vor diesem Hintergrund haben wir untersucht, welche konsumentenseitigen Faktoren die Akzeptanz und Nutzung einer solchen Plattform in Europa beeinflussen könnten.
Zur Bearbeitung dieser Fragestellung haben wir eine qualitative, explorative Studie in Form von vier Online-Fokusgruppendiskussionen durchgeführt. Insgesamt nahmen 27 Proband*innen unterschiedlichen Geschlechts, Alters und Innovationsbereitschaft an den Gesprächen teil.
Die Fokusgruppeninterviews führten wir anhand eines semistrukturierten Leitfadens, der auf der „Unified Theory of Acceptance and Use of Technology 2“ (UTAUT2) von Venkatesh et al. (2012) basierte. In diesem Modell haben Venkatesh et al. (2012) bereits zentrale Einflussfaktoren hinsichtlich der Nutzung und Akzeptanz von Technologien aus Konsumentensicht herausgearbeitet.
Ziel unserer Untersuchung war es zunächst, diese bekannten Einflussfaktoren im spezifischen Kontext unserer Forschung zu beleuchten, vor allem aber auch, neue Einflussgrößen zu identifizieren, die über das bestehende, etablierte Modell hinausgehen.
Zu Beginn der Gespräche wurde den Proband*innen folgendes Szenario vorgestellt:
Stellen Sie sich vor, es gäbe eine zentrale digitale Plattform, über die Sie sämtliche Bedürfnisse im Bereich Wohnen und Leben (wie etwa Internet, Strom, Versicherungen, Heizung, Smart Home usw.) gebündelt decken könnten.
Von der ersten Organisation über die laufende Nutzung bis hin zu einem Anbieterwechsel ließe sich alles bequem über diese Plattform verwalten.
Dabei hätten Sie Zugang zu verschiedenen Anbietern in den jeweiligen Bereichen.
Die Bedienung der Plattform erfolgt über das Handy oder Tablet, beispielsweise durch eine App.
Unsere Untersuchung hat gezeigt, dass neben den traditionellen Einflussfaktoren – wie erwarteter Leistung, erwartetem Aufwand, hedonistischer Motivation, unterstützenden Bedingungen, sozialem Einfluss und Preis-Leistung – auch weitere Faktoren eine Rolle bei der Akzeptanz einer solchen Plattform unter den Proband*innen spielen. Insbesondere Vertrauen in den Plattformanbieter, Wahrgenommenes Risiko, Werte-basierte Motivation sowie der Status Quo Bias haben sich als relevante Einflussgrößen herauskristallisiert, die über den ursprünglichen Rahmen des UTAUT2-Modells hinausgehen.
Das Wahrgenommene Risiko war für viele Teilnehmende ein zentrales Thema. Dies zeigte sich insbesondere in Datenschutzbedenken – vor allem im sensiblen Bereich Wohnen und Leben – sowie in der befürchteten Abhängigkeit von digitalen Plattformen. Die Tatsache, dass viele der weltweit führenden Plattformen monopolartige Strukturen aufweisen und ihren Sitz außerhalb Europas haben, wurde von einigen Proband*innen kritisch reflektiert. Ein ähnliches Szenario im Bereich Wohnen und Leben wurde dementsprechend als potenziell risikoreich wahrgenommen.
Vor diesem Hintergrund wurde das Vertrauen in den Plattformanbieter als besonders wichtig erachtet. Die Teilnehmenden erwarten, dass der Plattformanbieter über die nötige Kompetenz verfügt, die versprochenen Leistungen zuverlässig zu erbringen, gleichzeitig aber auch Integrität zeigt und das Wohl der Nutzer*innen – etwa durch strengen Datenschutz – aktiv priorisiert.
In diesem Zusammenhang scheint auch Werte-basierte Motivation eine Rolle zu spielen, die das Vertrauen zusätzlich stärken kann. Die Werte des Plattformbetreibers sollten nicht zu stark von der persönlichen Haltung der Nutzer*innen abweichen. Besonders relevant waren hierbei Werte, die erkennen lassen, dass die Plattform über rein wirtschaftliche Interessen hinaus auch gesellschaftliche Verantwortung übernimmt. Vor allem das Thema Nachhaltigkeit wurde von einigen Proband*innen im Kontext zunehmender Digitalisierung angesprochen: Ist die Nutzung digitaler Plattformen grundsätzlich nachhaltig – und inwiefern kann eine Plattform im Bereich Wohnen und Leben zu einer nachhaltigeren Lebensweise beitragen?
Ein weiterer interessanter Aspekt betraf den sogenannten Status Quo Bias. Einige Teilnehmende gaben an, trotz der Attraktivität einer solchen potenziellen Plattform an ihrer bisherigen Lösung festzuhalten – nicht aus Überzeugung, sondern aus Trägheit. Die wahrgenommenen Wechselkosten, etwa in Form von Zeitaufwand oder Umgewöhnung, wirken abschreckend. Für sie wäre ein stärkerer externer Impuls nötig, wie etwa ein Umzug oder Anbieterwechsel, um die Nutzung einer solchen Plattform in Betracht zu ziehen.
Auch die klassischen Einflussfaktoren aus dem UTAUT2-Modell waren unter den Proband*innen relevant. Besonders deutlich wurde dies bei der Bedeutung des erwarteten Aufwands und der hedonistischen Motivation. Die Plattform muss einfach zu bedienen sein und idealerweise sogar Freude bereiten, etwa durch ein ansprechendes Design oder spielerische Elemente (Gamification).
Zwar ist die Hemmschwelle, eine solche Plattform auszuprobieren, niedrig, doch entscheidet sich bereits in den ersten Klicks, ob eine langfristige Nutzung erfolgt. Müssen Nutzer*innen zu früh sensible Daten eingeben, ist die Bedienung nicht intuitiv oder wirkt die Oberfläche unattraktiv, nützt auch ein breites Funktionsspektrum wenig – die Plattform würde dennoch abgelehnt werden.
Insgesamt zeigen unsere ersten Ergebnisse, dass das Potenzial für eine umfassende Plattformisierung im Bereich Wohnen und Leben in Europa durchaus vorhanden ist – sowohl aus technologischer als auch aus konsumentenseitiger Sicht. Damit dieses Potenzial jedoch realisiert werden kann, reicht es nicht mehr aus, sich allein auf die klassischen, etablierten Einflussfaktoren aus dem UTAUT2-Modell zu verlassen.
Anbieter müssen darüber hinaus gezielt auf Transparenz, Wertekongruenz und Datenschutz setzen, um bestehende Vorbehalte zu adressieren und Vertrauen aufzubauen. Nur so lassen sich zentrale Barrieren, wie das wahrgenommene Risiko, wirksam entschärfen und die Akzeptanz für neue, integrierte Plattformlösungen nachhaltig steigern.
Die Ergebnisse der Studie werden im Juni 2025 auf der International Conference on Research in Advertising (ICORIA) in Rotterdam vorgestellt.
Wawrina, C., Kerschbaumer, R. H., Kappel, D., & Haas-Kotzegger, U. (2025, Juni). Platformisation of home and living: A qualitative inquiry into consumer adoption in Europe. Paper presentation at the International Conference on Research in Advertising (ICORIA), Rotterdam, Netherlands.
Venkatesh, Thong, & Xu. (2012). Consumer Acceptance and Use of Information Technology: Extending the Unified Theory of Acceptance and Use of Technology. MIS Quarterly, 36(1), 157. https://doi.org/10.2307/41410412
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