In einer zunehmend sozial engagierten und politisch aktiven Welt entscheiden sich viele Marken dazu, Flagge zu zeigen und ihre Unterstützung für verschiedene soziale und politische Bewegungen zu bekunden. Dieses Phänomen wird als Brand Activism (Sarkar and Kotler, 2020; Vredenburg et al., 2020) bezeichnet. Ob es um die Förderung von LGBTQ+-Rechten, Diversität oder das Engagement für Umweltthemen geht, Unternehmen werden immer offener hinsichtlich ihrer Werte und transparenter in ihrer Positionierung zu gesellschaftlichen Anliegen. Viele renommierte Marken wie Nike, Airbnb, Ben&Jerry‘s, Gillette und Patagonia nehmen öffentlich Stellung.
Aktuelle Beispiele zeigen jedoch, dass die Unterstützung einer sozialen Initiative riskant sein und sich negativ auf die Rentabilität auswirken kann. Immer häufiger stellen sich Marken deshalb die Frage: „Can you go broke, if you woke?“
Brand Activism ist zu einem prominenten Thema nicht nur in der Branding-Literatur, sondern auch in der Unternehmenspraxis geworden. Einerseits verlangen immer mehr Kund*innen von Unternehmen, dass sie zu sozialen und politischen Themen Stellung beziehen (Swant, n.d.). Andererseits geraten immer mehr Unternehmen ins Visier der Kritik aufgrund ihrer Haltung und werden boykottiert oder geächtet, wenn sie sich zu sozialen und politischen Themen äußern (“2022 Special Report,” n.d.).
Ein sehr aktuelles Beispiel hierfür ist das Unternehmen Anheuser-Busch. Bud und Bud Light sind seit Jahrzehnten die führenden Biermarken in den USA und werden oft mit der konservativen amerikanischen Mittelschicht in Verbindung gebracht. Im Juni 2023 startete die weltweit größte Brauerei eine Social-Media-Kampagne mit Transgender-Aktivist Dylan Mulvaney, was unerwartet zu einem starken Gegenwind für Anheuser-Busch führte. Viele prominente Persönlichkeiten aus dem republikanischen Umfeld, darunter die Musiker Kid Rock und Travis Tritt, riefen zum Boykott der Marke auf. Kid Rock ging sogar so weit, ein Video zu veröffentlichen, in dem er auf Bud-Light-Dosen schoss. Die Biermarke geriet dadurch in den Mittelpunkt einer stark aufgeheizten politischen Debatte zwischen Demokraten und Republikanern in den USA. Das Ergebnis: Die Verkaufszahlen sanken um mehr als 25%, ein Rekord-Tief in der Unternehmensgeschichte (Reuters, 2023).
Es besteht kein Zweifel, dass es für Marken riskant sein kann, zu sozialen und politischen Themen Stellung zu beziehen. Schließlich ist die Welt gerade ungemein gespalten und was eine Gruppe feiert, wird von den anderen verachtet und als Angriff auf ihre Werte und Glaubensätze interpretiert. Marken, die zu sozialen Themen eine mutige Haltung einnehmen, riskieren Kund*innen zu verlieren, die anderer Meinung sind. Lohnt es sich also, dieses Risiko einzugehen?
Als Branding-Expert*innen sind wir der Meinung, ja, es ist wichtig und richtig. Warum und wie Brand Activism gestaltet sein soll, lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Laut einer Studie von Accenture ist der Anteil der Verbraucher*innen, die möchten, dass Unternehmen zu Themen wie Nachhaltigkeit, Transparenz oder fairen Beschäftigungspraktiken Stellung beziehen, von 62 % im Jahr 2018 auf 72 % im Jahr 2022 gestiegen (“Companies Need to Take a Stand on Social Issues | Accenture,” n.d.). Brand Activism entspricht dem Zeitgeist. Vor allem die kaufkräftige Gruppe der Millennials verlangt von Marken eine klares Bekenntnis zu aktuellen kontroversiellen Themen (Shivakanth Shetty et al., 2019).
Marken, die eine soziale Position einnehmen, können von positiver Medienberichterstattung und gesteigerter Markenbekanntheit profitieren. Wenn ein Unternehmen zu einem gesellschaftlichen Anliegen Stellung bezieht, erregt das Aufsehen, zieht Aufmerksamkeit auf sich und hilft dabei, sich von der Konkurrenz abzuheben.
In der heutigen Zeit suchen Konsument*innen nicht einfach nach einem Produkt oder einer Dienstleistung – vielmehr wünschen sie sich Marken, die ihre Werte teilen. Ein Paradebeispiel hierfür ist Patagonia, das eine langjährige Geschichte des Umweltaktivismus und der unternehmerischen Verantwortung aufweisen kann. Ihre Hingabe zur Nachhaltigkeit hat nicht nur das Ansehen der Marke gestärkt, sondern auch leidenschaftliche Anhänger*innen hervorgebracht, die verdeutlichen, dass soziales Engagement erfolgreich sein kann, wenn es auf authentische Weise umgesetzt wird. Unternehmen sollten also das vorleben und verkörpern, was sie in Kampagnen predigen.
Marken sollten sicherstellen, dass ihre Kampagnen mit ihrer wahrgenommenen Fachkompetenz in Einklang stehen. Verbraucher*innen betrachten es als glaubwürdiger, wenn eine Marke wie Patagonia sich zu Umweltthemen äußert, weil dies ihre wahrgenommene Expertise widerspiegelt. Andererseits erweckt es Skepsis bei Konsument*innen, wenn Marken sich an Themen wagen, die nicht zu ihrem Fachwissen gehören, wie internationale Politik, Gesundheit oder Religion. Dies bedeutet nicht, dass Unternehmen die Teilnahme an diesen Debatten völlig vermeiden sollten. Stattdessen erfordert es Fingerspitzengefühl, ein tiefes Verständnis für die Angelegenheit und einen ausgeprägten Instinkt. Die Corona-Impfkampagne des österreichischen Handels ist ein gutes Beispiel dafür, dass man als Marke zwar nicht Experte*Expertin im Thema sein muss aber doch glaubhaft eine Position beziehen kann (“Österreichischer Handel startet nationale Impfkampagne,” n.d.).
Branding hat sich in den letzten Jahrzehnten stark weiterentwickelt. Marken stehen nicht mehr nur für Produkt oder Services. Sie sind Teil der Identität von ihren Verwender*innen geworden. Iconic brands wie Apple oder Nike inspirieren und beeinflussen unsere Kultur (Holt, 2004; Koch, 2020).
Unsere Gesellschaft erlebt derzeit Kontroversen und Spannungen und tendiert zu starkem Schwarz-Weiß-Denken. Es ist erfreulich, dass immer mehr Marken offen Position beziehen. Ob sie dies aus rein wirtschaftlichen Motiven tun oder aus dem Wunsch, die Gesellschaft voranzubringen, mag sogar von nachrangiger Bedeutung sein. Durch ihr Engagement zwingen sie uns als Konsument*innen, aus unserer Komfortzone herauszutreten und ermutigen uns, ebenfalls Position zu beziehen, selbst wenn dies oft ein Risiko für die Marke selbst bedeutet.
2022 Special Report: The New Cascade of Influence [WWW Document], n.d. . Edelman. URL https://www.edelman.com/trust/2022-trust-barometer/special-report-new-cascade-of-influence (accessed 8.2.23).
Companies Need to Take a Stand on Social Issues | Accenture [WWW Document], n.d. URL https://www.accenture.com/us-en/blogs/accenture-research/how-companies-can-balance-people-and-profit-when-engaging-in-social-issues (accessed 8.1.23).
Holt, D.B., 2004. How brands become icons: the principles of cultural branding. Harvard Business School Press, Boston, Mass.
Koch, C.H., 2020. Brands as activists: The Oatly case. J. Brand Manag. 27, 593–606. https://doi.org/10.1057/s41262-020-00199-2
Österreichischer Handel startet nationale Impfkampagne: “WIR HANDELN gemeinsam. WIR IMPFEN gemeinsam.” [WWW Document], n.d. . OTS.at. URL https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20210802_OTS0089/oesterreichischer-handel-startet-nationale-impfkampagne-wir-handeln-gemeinsam-wir-impfen-gemeinsam-bild (accessed 9.2.23).
Reuters, 2023. Bud Light loses top US beer spot after promotion with transgender influencer. The Guardian.
Sarkar, C., Kotler, P., 2020. Brand Activism: from purpose to action. Idea Bite Press, Erscheinungsort nicht ermittelbar.
Shivakanth Shetty, A., Belavadi Venkataramaiah, N., Anand, K., 2019. Brand activism and millennials: an empirical investigation into the perception of millennials towards brand activism. Probl. Perspect. Manag. 17, 163–175. https://doi.org/10.21511/ppm.17(4).2019.14
Swant, M., n.d. Silence Is Not An Option: Research Shows Consumers Expect CEOs To Take A Stand On Political Issues [WWW Document]. Forbes. URL https://www.forbes.com/sites/martyswant/2021/04/19/silence-is-not-an-option-research-shows-consumers-expect-ceos-to-take-a-stand-on-political-issues/ (accessed 7.31.23).
Vredenburg, J., Kapitan, S., Spry, A., Kemper, J.A., 2020. Brands Taking a Stand: Authentic Brand Activism or Woke Washing? J. Public Policy Mark. 39, 444–460. https://doi.org/10.1177/0743915620947359
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